Ethnolog_innen im deutschsprachigen Raum haben ein Problem: Kaum einer weiß, dass es sie gibt, was sie tun und geschweige denn, welchen gesellschaftlich relevanten Beitrag sie in der Öffentlichkeit leisten (könnten). Ein ziemliches Desaster, wie ich finde. Daher hier ein paar grundlegende Infos darüber, was Ethnologie ist und warum ich diesen Blog startete.

Je mehr ich Ethnologin wurde, umso schlimmer gestaltete sich mein alltägliches Blättern in den Zeitungen und Zeitschriften und umso entsetzter blickte ich auf die Berichterstattung im Fernsehen, Radio etc. Dann während wir Ethnolog_innen es sich immer schwer tun, uns zu einem gesellschaftlichen/kulturellen Thema kurz zu fassen, haben Journalist_innen genau das gegenteilige Problem: Sie müssen oft in Windeseile Ereignisse recherchieren und sie der breiten Öffentlichkeit informativ und verständlich präsentieren. Natürlich widerfahren ihnen dabei immer wieder Fehler, vor allem wenn sie im Zusammenhang mit Menschen aus anderen Kulturen im In- oder Ausland berichten.

Die Folgen sind fatal:

  • Kulturell bedingte Missverständnisse werden nicht erkannt,
  • dafür Klischees, Stereotype und Vorurteile reproduziert,
  • und in den Köpfen der Zuschauer_innen und Leser_innen gefestigt.

„Das gilt es, aufzulösen!“ dachte ich entschlossen, und startete 2013 diesen Blog.

Große Dinge habe ich damit vor, aber der Reihe nach:

Bestandaufnahme heute: Kein Mensch kennt Ethnologie!

  • „Du studierst was? Ethnologie…? Aha … Nie davon gehört.“
  • „Was ist das denn? Und was macht man später damit? Also für mich hört sich das nach brotloser Kunst an. Kannst höchstens Taxifahrer werden.“

So oder so ähnlich verliefen meist meine ersten Gespräche mit Freund_innen, Familienangehörigen (oder auch Kommiliton_innen), als ich ihnen meine Studiumwahl offenbarte. Es ist ein „Orchideenfach“. Gewesen.

Dabei ist Ethnologie die Königin unter den „Orchideenfächern“

Immer wieder erstaunt mich dieser fragende Blick meiner Gesprächspartner_innen – auch heute noch, nach meinem Abschluss. Wie kommt es, dass Ethnologie bis in die Gegenwart in der deutschsprachigen Öffentlichkeit kaum bekannt ist? Und das, obwohl man dieses Fach bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts an den Universitäten lehrt.

Dann aber auch das: Schaut man sich die Zahlen der Studierenden in den letzten Jahrzehnten an, so steigt die Nachfrage nach Studienplätzen seit den 1970er Jahren stark an. Unter den so genannten „Orchideenfächern“ genießt das Fach also einen enormen Zulauf. Die Zahl der Studierenden ist etwa halb so groß, wie die in der Soziologie und in den Politikwissenschaften. Ethnologie ist sozusagen die Königsorchidee.

Ach ja, genau: Was Ethnologie überhaupt ist...

Um es ganz kurz auf den Punkt zu bringen – die gängige Definition heutzutage lautet:

Ethnologie ist die Lehre vom (kulturell) Fremden.

Natürlich ist diese Beschreibung unvollständig, nicht komplett und ergänzungsbedürftig. Aber es trifft in meinen Augen dennoch den Kern dessen, womit sich die Ethnolog_innen im Einzelnen und das Fach Ethnologie im Allgemeinen befasst.

Früher, etwa Ende des 19.ten und Anfang des 20.ten Jahrhunderts, war „das Fremde“ klar und deutlich definiert: Nämlich durch regionale Grenzen. Ethnolog_innen reisten in ferne Länder und erforschten dort „fremde Kulturen“.

Heute hat sich das Verständnis dessen, was „das Fremde“ bedeutet, gewandelt. „Fremd“ ist mittlerweile nicht nur das, was außerhalb der eigenen regionalen Grenzen liegt, fremd kann auch schon mein Nachbar sein, der einem ungewöhnlichen Hobby nachgeht (mittelalterliche Rollenspiele, Schützenverein, etc.) oder eine alternative Lebenseinstellung pflegt (Punks, Gothiks, Hipster). Auch diese Gruppen können heute Gegenstand ethnologischer Erforschung sein – und sind es auch.

Ethnologie studiert – und nun? Das Schicksal der verkannten Genies: Die Bindestrich-Ethnolog_innen

Wie man sieht, gibt es also relativ viele Interessierte, die sich für das Studium der Ethnologie entscheiden. Und viele bleiben auch bis zum Schluss.

Ist der Abschluss erstmal in der Tasche, kommt die nächste Hürde im Lebenslauf eines jeden Menschen: Was mache ich nun mit dem Abschluss? Wo wird mein Wissen als Ethnolog_in gebraucht?

Und genau hier liegt das Problem  (und war mitunter meine Motivation für diesen Blog ;)) Denn Fakt ist: Die Zahl der Studierenden und der Absolventen ist relativ hoch, die Anzahl der „klassischen“ Stellen – an den Universitäten, Forschungsinstituten, Museen etc. – ist aber sehr gering.

Die Folge: Viele Absolventen müssen kreativ werden und Arbeit in anderen Arbeitsbereichen suchen. Und bisher müssen sie es fast immer auf eigene Faust tun, denn die Universitäten haben noch immer nicht entsprechend darauf reagiert, wissen Thomas Bierschenk, Matthias Krings und Carola Lentz – alle drei Ethnologie-Professoren an der Universität Mainz – in ihrem kürzlich veröffentlichten Aufsatzband „Ethnologie im 21. Jahrhundert“ zu berichten.

Das soll sich ändern. Denn in vielen neuen Praxisfeldern „wachsen die Kulturanalyse und Kulturpraxis zusammen, und es entsteht das Berufsfeld des Kulturingenieurs, der kulturelle Zusammenhänge mit dem Instrumentarium der Ethnologie analysiert, um sie beeinflussen zu können.“ Diese Bindestrich-Ethnolog_innen stehen also an der Schnittstelle von Wissensproduktion und -anwendung und spielen somit eine wichtige Rolle.

Ethnolog_innen in der Öffentlichkeit - ein Trauerspiel

„Mit wenigen Ausnahmen sind Ethnologen in größeren, medienbasierten öffentlichen Debatten im deutschsprachigen Raum kaum präsent, auch dann nicht, wenn es um genuin ethnologische Themen wie Ethnizität oder Kultur geht. Ein Blick nach Frankreich, Großbritannien, Skandinavien und Nordamerika, aber auch einige Länder des Globalen Südens zeigt, dass dies auch anders sein kann.“ (Bierschenk, Krings, Lentz)

Da haben sie recht.

Hierzulande habe ich selten in großen Zeitungen, Fernsehmagazinen oder Radiosendungen auf Kolleginnen und Kollegen getroffen, die zu Themen wie Rassismus, Flüchtlingspolitik oder Bau von Moscheen zu Wort gebeten wurden. Die Anfragen kommen immer erst dann, wenn es um etwas „Exotisches“ geht – wie Voodookult, Aberglauben oder wenn es um Afrika geht.

Leute, Ethnolog_innen können doch weitaus mehr als das…

Worum es mir hier ging:

Bereits während meines Studiums schüttelte ich regelmäßig den Kopf darüber, dass Ethnologie – ein Fach mit SO VIEL Potential für unsere moderne, multikulturelle und globalisierte Gesellschaft – von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird.


DAS MUSS SICH UNBEDINGT ÄNDERN! Dachte ich damals, und gründete diesen Blog.

Hier wollte ich darüber berichten, worüber Ethnolog_innen forschen,
nachdenken, diskutieren. Und das, was sich hinter den Elfenbeinturmfassaden verbirgt, an die Oberfläche zu bringen. Und um herauszuarbeiten, wie das ethnologische Wissen praktische Anwendung „da draußen“, in der freien Wirtschaft, findet.

Und heute? Die Neuausrichtung dieser Seiten

Durch ethnologisches Studium lernt man – lernte ich

  • das Eigene und das Fremde zu verstehen,
  • Ängste, Vorurteile und Klischees abzubauen
  • und ein Miteinander zu schaffen, das auf gegenseitigem Verstehen, Respekt und Toleranz basiert.

Was Ethnologie mich gelehrt hat, ist ein kultursensibilisierter Mensch zu sein. Und das finde ich so, so unglaublich wichtig in unserer Welt.

Und genau dieses kulturelle Wissen, die kulturelle Intelligenz –  vermittle ich nun in meinen kulturensensibilisierenden Kursen als interkultureller Coach.

Und wenn du Interesse daran hast, dich ebenfalls, deine kulturelle Intelligenz zu aktivieren und  ein multikulturelles und respektvolles Miteinander zu gestalten, dann nimm Kontakt mit mir auf – sei es durchs Abonnieren meines Newsletters oder via Mail. Ich freue mich.

Zum Newsletter geht es HIER LANG.