Leben wir in einer multikulturellen Gesellschaft? Was bedeutet überhaupt – multikulturell? Welche Vorteile bringt Multikulturalität, welche Nachteile hat man davon? Fragen über Fragen. Und ein paar Antworten.
Deutschland ist ein Einwanderungsland. Seit Ende des 2. Weltkrieges und vor Allem ab den ersten Gastarbeitern gab es immer wieder Phasen, in denen Menschen nach Deutschland einwanderten. Sie kamen aus verschiedenen Gründen, und sie kamen aus verschiedenen Ländern.
Heute leben ca. 20,8 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland.
Das sind 25,5% der Bevölkerung.
Also ist die Antwort: Ja, wir leben in Deutschland in einer multikulturellen Gesellschaft.
Als multikulturelle Gesellschaften bezeichnet man jene Gesellschaften, die viele Kulturen umfassen.
Genauer: Eine Gesellschaft, in der Menschen verschiedensten kulturellen Backgrounds zusammen leben.
Hierzu zählen Menschen, die selbst in einem anderen Land geboren sind, oder welche, deren Eltern eingewandert sind. Menschen, die eine deutsche Staatsangehörigkeit haben oder nicht. Hierzu zählen Menschen, die nur vorübergehend in Deutschland leben, weil sie hier arbeiten/studieren oder welche, die für immer nach Deutschland gezogen sind. Und ach ja: Es gibt Menschen, die sich gleich in mehreren Kulturen „Zuhause“ fühlen.
Da eine richtige Antwort auf diese Frage absolut den Rahmen sprengen würde – manche Professor_innen haben ihr ganzes Leben der Beantwortung dieser Frage gewidmet – stelle ich hier nur kurz dar, was in diesem Kontext unter „Kultur“ verstanden werden soll.
Und zwar Folgendes:
Natürlich hat sich auch die Wissenschaft damit befasst, wie man eine multikulturelle Gesellschaft denn sich nun vorstellen sollte. Hier ein paar Versuche, das Phänomen greifbar zu machen.
So versuchte man sich eine Zeit lang, die US-amerikanische Einwanderungsgesellschaft vorzustellen. Doch schon bald wurde dies durch einen neuen Begriff ersetzt
Solche Beschreibungen wecken bestimmte Bilder im Kopf, schreibt Frank Beyersdörfer, lösen Sehnsüchte und Wünsche aus, wie etwa hier das Verschmelzen und Beseitigung der Differenzen. Doch dieses Bild entsprach nicht der Realität. Denn „verschmelzen“ wollten anscheinend die Wenigsten.
Dieses Bild schien anfangs die Realität ganz gut abzubilden. Immerhin ergibt ja ein Mosaik am Ende ein Bild. Kritische Stimmen jedoch meinten, dass eine solche Mosaik-Gesellschaft ja gar nicht steuerbar wäre, weil eine allgemein verbindliche geistliche oder weltliche Führung fehlen würde. Sie wäre daher eine Gesellschaft, „die nur noch bunt“ sei und eine „Gesellschaft von Fremden“.
Einige Wissenschaftler schlagen vor, eine multikulturelle Gesellschaft als eine Art Kaleidoskop zu sehen. Die Gesellschaft ist zwar immer noch bunt, aber – wie auch beim Kaleidoskop – bringt jeder neue eingewanderte Mensch Bewegung, ein „Schütteln“ und ein neues Bild entsteht.
Leben in einer multikulturellen Gesellschaft bringt viele Vorteile mit, hat aber auch jede Menge Konfliktpotential. Insbesondere dann, wenn man nicht rechtzeitig lernt, wie es am Besten klappt, ein Leben in einer multikulturellen Gesellschaft.
Mit interkultureller Kompetenz bist du einfach in der Lage,
Mein Eindruck ist: Zu wenig. Wenn ich mir die Berichterstattung und die politischen Entscheidungen der letzten Jahre anschaue, die im Hinblick auf die Geflüchteten erfolgt sind, stimmt es mich panisch. Der Rassismus in der Gesellschaft nimmt zu. Die Anschläge auf Geflüchtete nahmen in den letzten Jahren zu, Parteien mit rechter Gesinnung bekamen immer mehr Zulauf, die Grenzen wurden eingeführt, wurden verschärft usw. usf.
Es scheint eher der Tonus zu herrschen „die Anderen sollen sich mal anpassen“ und „wir können nicht allen helfen“. Aus meiner Sicht sind das Aussagen, die den Anderen nicht „auf Augenhöhe“ begegnen, sondern von „oben herab“, paternalistisch, bevormundend.
Nein, Deutschland kann nicht allen helfen. Das mindeste aber, was Deutschland tun kann, ist, die Menschen im eigenen Land zu offenen toleranten, kosmopolitischen Weltbürgern zu erziehen. Und ganz besonders wichtig: bei Kindern anfangen und schon dort den Grundstein für einen emphatischen, selbstkritischen, weltoffenen Menschen zu legen. Dies geschieht, indem man sie für verschiedene Kulturen, deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede (die nun mal existieren, aber wichtig: nicht so bleiben müssen und sich ändern können!) sensibilisiert.
Für Toleranz, für Offenheit, und ja auch dafür, anzuerekennen, dass man verschiedene, widersprüchliche Ansichten haben kann und sich dennoch wertschätzen und akzeptieren kann.
Auch wenn ich stets über kulturspezifische Aspekte spreche, muss ich dennoch warnen: Man darf nicht dem (Irr-)Glauben verfallen, dass Menschen sich nur hinsichtlich der Kulturen voneinander unterscheiden, innerhalb ihrer eigenen Kultur jedoch völlig homogen sind. Dies ist mitnichten so!
Menschen sind in allererster Linie Individuen. Heißt also auch: Sie unterscheiden sich auch aufgrund ihres Alters, Geschlechts, politischer und religiöser Haltung, ihrer Vorerfahrungen, ihrer Biografien, ihrer Vorlieben für Dies und Das usw. usf.
Ich picke diesen kulturellen Aspekt deshalb heraus, weil ich der Meinung bin, dass Kultur neben all den anderen Aspekten einer besonderen Betrachtung bedarf, weil kulturelle Prägungen nun mal vielen Menschen unbewusst sind. Weil wir von klein auf in unsere Kultur hineingewachsen sind, haben wir sie sozusagen uns einverleibt, ohne es zu merken. Dasselbe passierte auch Menschen in anderen Kulturen.
Da Kulturen sich voneinander unterscheiden, und wir als Teil unserer Kultur entsprechend agieren, handeln und ja, denken, ist es nicht verwunderlich, wenn Ansichten aufeinander prallen, die komplett unterschiedlich sind und für den anderen (zunächst mal) auch völlig „unnormal“ und ja, „falsch“.
Die Beteiligten darauf aufmerksam zu machen, auf ihre „kulturelle Brille“, die sie blind macht für die „kulturelle Brille“ des Anderen, darin sehe ich meine Aufgabe als interkulturelle Trainerin.