Hallo. Ich bin Julia. Und ich kann hellsehen.

Glaubst du nicht?
Hier ein Test. Ich gebe dir eine Denkaufgabe – und ich weiß schon jetzt ganz genau, was du als erstes denken wirst.

Bereit?
Also nun.
Hier ist die Aufgabe:

 

Denk jetzt bloß NICHT an einen rosa Elefanten. Schon gar nicht an einen, der sich seinen Fuß verstaucht hat.

 

Und jetzt meine Voraussage:

– Du hast mit absoluter Sicherheit zunächst an einen rosa Elefanten gedacht
– Und du hattest sehr wahrscheinlich einen Anflug von Mitleid gespürt, wegen seines verstauchten Fußes

– Sehr wahrscheinlich hattest du sogar selbst einen Stich gespürt, weil du dich erinnert hattest, wie weh dir mal dein Fuß getan hat!

Das alles ploppte in deinem Kopf auf, sobald du den obigen Satz gelesen hast. Und das, obwohl die Aufgabe lautete, eben NICHT daran zu denken.

Sage mir, was du gerade gelesen hast und ich sage dir, was du denkst!

Was sind Frames? Oder: "Sorry, Hirn, aber du bist so beeinflussbar."

Wir sind bei einer Tatsache angekommen, die einerseits ziemlich faszinierend, andererseits ziemlich bedrückend und ja, auch ziemlich bedrohlich ist, wenn man sich überlegt, was damit alles möglich ist.

Es geht um die Macht, die Worte – auf uns – haben.

„Wir Menschen sind rationale Wesen“, die „vernunftgesteuert“ handeln können. So beschreibt die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling ein Menschenbild, das lange Zeit als unumsößlich galt. „Legt man /ihm/ nur alle relevanten Fakten auf den Tisch, können sie diese objektiv gegeneinander abwägen und entscheiden, was zu tun ist – ob beispielsweise ein politisches Vorhaben unterstützt werden soll, oder nicht.“ (Wehling 2018, S.17)

 

Nun. Die Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften zeigen mittlerweile ein gänzlich anderes Bild.  Demnach entscheiden nicht objektive Fakten darüber, was wir wie finden – gut, schlecht, unterstützenswert, verabscheuungswürdig, etc. – sondern bestimmte „gedankliche Deutungsrahmen“, so genannte FRAMES.

Diese Frames werden durch SPRACHE in unseren Gehirnen aktiviert.

Diesen Vorgang belegen mittlerweile viele vielfältige Studien. Sie zeigen z.B., wie bestimmte Worte in unseren Gehirnen bestimmte Reaktionen auslösen. Und wie diesen Reaktionen bestimmte weitere Gedanken, Wahrnehmungen, Gefühle und ja, Handlungen folgen.

Und wenn mensch das Prinzip verstanden hat, A plus B zusammen gerechnet hat und erfahren hat, es wird ein C heraus kommen, dann hat dieser Mensch eine wundervolle Waffe… sorry, ich meine, ein wunderbares Instrumen, dieses Wissen für seine/ihre Zwecke gewinnbringend zu nutzen.

Drei Prozesse, die Worte im Gehirn aktivieren

Im Folgenden schauen wir uns drei Prozesse an, die passieren, wenn Worte auf unser Gehirn treffen.

Prozess 1: Frames veranlassen unser Gehirn, zu imitieren

Was passiert eigentlich, wenn das Gehirn auf Worte trifft? Sei es in visueller, akustischer oder sonstwelcher Weise? Wie funktioniert das eigentlich, dieses ominöse „Sprache begreifen“? 

Nun. Unser Gehirn hat sich hierzu einen foglenden „Trick“ ausgedacht:

 

Es IMITIERT die gehörten Worte bzw. deren Bedeutungen. Dies tut es, indem es das gesamte Wissen abruft, das wir uns im Laufe unseres Lebens zu diesem Begriff gesammelt haben. Und mit „gesamt“ meint mensch nicht nur die trockene Definition von „das ist ein /hier beliebiges WORT einfügen/“, sondern alles, wirklich alles, was wir mit diesem Wort in Verbindung bringen.

Das Gehirn simuliert also jene körperliche Vorgänge, die es gerade durch das Lesen/Hören wahrgenommen hat:

  • Wenn du „rennen“ oder „schwimmen“ hörst, dann werden jene Gehirnareale aktiv, die beim Rennen (Füße) oder Schwimmen (Arm- und Beinbewegungen) beansprucht werden

Das Gehirn simuliert Tastsinn, Gerüche, Geschmäcker:

  • Wenn du Wörter liest wie „samtweiche Pfoten“, „Knoblauch“, „Zitrone“, „duftender Röstkaffee“, dann aktiviert das Gehirn jene Regionen, die für Tasten, Riechen, Schmecken etc. verantwortlich sind.

Das Gehirn simuliert auch visuelle Reize:

  • Wenn ich den Satz „Der Bumerang ist am Himmel“ vorlese, dann wird mein Gehirn jene Regionen aktivieren, die für das Verarbeiten von visuellen Bildern zuständig sind.

Prozess 2: Frames beeinflussen deine Wahrnehmung

Ein Wort sagt mehr als tausend andere Dinge – so könnte sich seit Neuestem eine Weisheit anhören. Klingt verwirrend, ist aber aus neurowissenschaftlicher Perspektive gar nicht mal so verkehrt.

Denn Studien und Experimente aus den Neurowissenschaften beweisen es: Ein einziges Wort reicht, um in unseren Gehirnen ein ganzes Sammelsurium aus anderen Wörtern, Bedeutungen, Erinnerungen und Empfindungen zu aktivieren, die allesamt mit diesem einen Wort in Verbindung gebracht werden.

Beispiel: In einer Studie bekamen zwei Gruppen unterschiedliche Texte zu lesen. Während die einen einen Text lasen, in dem das Wort „Gepard“ vorkam, fiel im anderen Text das Wort „Schildkröte“.

Im Anschluss baten die Studienleiter die Teilnehmenden darum, auf einem Bild das das Tempo eines Menschen auf einem Bild abzuschätzen.

Und siehe einer an: Die „Gepard“-Leser fanden, dieser bewege sich schnell wie – wie ein Gepard eben, während die „Schildkröten“-Leser fanden, er laufe lahm wie eine, genau, Schildkröte.

Interessant bei dieser Studie war eben nicht nur die Tatsache, dass die Teilnehmenden das Tempo so unterschiedlich empfanden, sondern auch die Tatsache, dass sie das gelesene Tier mit dem entsprechenden Tempo assoziierten – und diese Assoziation auf den Mann auf dem Bild übertrugen.

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DrZoltan. via Pixabay

Prozess 3: Frames wirken auf deine Handlungen ein

Auch hierzu zitiert Elisabeth Wehling eine erstaunliche Studie, die in ziemlich beeindruckender Weise verdeutlicht, wie machtvoll Frames auf uns einwirken. Weil sie dich einfach mal dazu bringen können, dich auf eine bestimmte (gewollte?) Art und Weise zu verhalten bzw. zu handeln.

Auch hierzu ein Beispiel:

Zwei Gruppen sollten erneut einen Text lesen. Während die eine Gruppe einen recht neutralen Text erhielt, war der andere Text mit Worten gespickt, die auf ein hohes Alter vewiesen, wie z.B. „alt“, „sentimental“, „vergesslich“, „Rente“, „faltig“, etc.

Danach verabschiedeten sich die Studienleitenden von den Teilnehmenden und sagten, das Experiment sei zu Ende, sie dürfen nun nach Hause gehen. In Wirklichkeit ging das Experiment hier erst richtig los. Und zeigt Folgendes: Während die erste Gruppe völlig normal Richtung Aufzug ging, war die andere Gruppe ziemlich „alte Menschen“-artig unterwegs! Sie schlürften, sie schlichen, sie liefen seeeehr langsam und behutsam den Gang entlang, waren insgesamt sehr bedächtig – irgendwie eben „alt“.

Dieses Beispiel zeigt in sehr eindeutiger und beeindruckender Weise, wie Wörter bestimmte innere Bilder im Kopf entstehen lassen, die sich sogar direkt (und von uns vielleicht sogar unbemerkt und unbewusst!) auf unser Handeln und Verhalten auswirken.

 

Framing und Journalismus - gefährliches Amour Fou

Bestimmte Begriffe oder Begriffskombinationen lösen also bestimmte Art, zu denken, aus. Wer sich dieses Mechanismus unseres Gehirns bewusst ist, und wer erkannt hat, welche Macht er oder sie dadurch ausüben könnte, der wäre selbstverständlich schön blöd, wenn er oder sie dies nicht versuchen würde, für die eigenen Zwecke auszunutzen.

Und so ist es auch: Politiker:innen machen sich diesen Mechanismus zunutze, indem sie ihre politischen Botschaften in solche Begriffe, Worte, Metaphern verkleiden, von denen sie wissen, welche Assoziationen sie auslösen werden.

Ein Beispiiel: Sie sprechen von „FlüchtingsWELLEN“, um eine Assoziation von einer Naturgewalt auszulösen, nach dem Motto „Tja, haja, ist höhere Gewalt eben, wir können nix dafür, müssen uns aber nun davor schützen, wie man das halt vor einer Flut tut“. Was sie damit gleichzeitig tun, ist es, gezielt die wahren Fluchtursachen zu verschleiern – wie etwa die historische Schuld von Kolonialisierung, Ausbeutung oder Stellvertreterkriegen in jenen Gebieten.

Journalist:innen haben nun ebenfalls die Aufgabe, sich dieses Mechanismus bewusst zu sein – und die Politiker:innen sowie all jene, die diese Frames nutzen, genauestens zu beobachten – und die Leser:innen darüber aufzuklären.

Ein Blick in die Zeitungslandschaften in der jüngeren Vergangenheit zeigt allerdings, so mein Eindruck, dass die Zeitungen selbst begonnen haben, sich der Frames zu bedienen, um … genau – warum eigentlich?

Framing und Interkulturelles Miteinander

Wollen wir es nun wirklich schaffen, Menschen aus anderen Kulturen auf Augenhöhe zu begegnen, müssen wir sensibler werden. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, dass unser Gehirn so funktioniert, wie er eben funktioniert. Dass es bei bestimmten Begriffen bestimmte innere Bilder weckt, die in uns historisch gewachsen sind, die uns von der Kindheit an anerzogen wurden (wie etwa der berühmt-berüchtigte Schokokuss, der früher ganz anders hieß und nun zurecht umbenannt wurde). Aber – und das ist das gute daran – wenn wir das wissen, wenn wir uns diesen Mechanismus des Framings ins Bewusstsein geholt haben, haben wir bereits ein Stück weit unserer Handlungsfähigkeit zurück erlangt. Und können daran arbeiten, unsere inneren Bilder an die Realität anzugleichen.

 

 

Gefahr von Framing - und was heißt das nun für mich konkret?

Wie du siehst, wir kommen nicht drum herum – unser Gehirn aktiviert bei bestimmten Begriffen automatisch diese bestimmten Deutungsrahmen, innerhalb derer du bestimmte Dinge denkst.

Wir kommen nicht drum herum – Menschen, die sich dieser Funktion unseres Gehirns bewusst sind, nutzen dies aus. Nicht immer in guter Absicht.

Daher lautet meine Antwort auf die Frage, wie soll mensch nun mit diesem Wissen rund um Framings und dem, was sie anrichten (können), umgehen:

Nutze auch du dieses Wissen – aber eben in guter Absicht.

Zuallererst aber bedeutet es, kritisch zu sein.

Wenn du Nachrichten liest, siehst oder hörst – bleibe stets achtsam. Überlege, welche Begriffe werden gerade benutzt? Warum werden genau diese Begriffe/Wörter verwendet? Welche Bilder kommen in dir hoch, wenn du sie liest, siehst, hörst? Sind sie mit positiven Emotionen besetzt oder mit negativen?

Dann, im nächsten Schritt kannst du überlegen, welche Intention die Verfasser mit der Verwendung jener Begriffe (evtl.) beabsichtigten. Selbstverständlich kann es mal sein, dass sie sich nichts dabei gedacht haben. Aber in der Regel wissen jene, die mit Sprache und ihrer Wirkung arbeiten, wie Sprache funktioniert. Von daher bleibt es stets an dir, immer wieder zu prüfen, wer welche Absichten mit den Texten verfolgt.

Und am Schluss natürlich: Hinterfrage auch deine Reaktionen auf bestimmte Begriffe. Frage dich, warum bestimmte Begriffe in dir bestimmte weitere Gedanken erwecken, oder Emotionen. Frage dich, woher sie kommen, und warum sie da sind.

Und so, Schritt für Schritt, wirst du sehen, wirst du lernen, mit den Frames – und mit den Absichten, souverän und selbstbestimmt umzugehen.