Apropos über Ethnologen und deren ausgeprägtes Helfersyndrom: Ein Bereich in der Ethnologie befasst sich explizit damit, wie mensch als Ethnolog_in praktisch helfen kann.
Der Bereich nennt sich Angewandte Ethnologie, auch bekannt unter dem Begriff advocacy anthropology. Natürlich gab es Kritik seitens derjenigen Menschen, die einst für die Ethnolog_innen „Forschungssubjekte“ waren. (Die Ethnologie hat historisch noch einiges aufzuarbeiten…) Ich behaupte aber, dass viele, die sich für das Ethnologiestudium entschlossen haben, das ethnologische Wissen dazu nutzen wollen, wie es Friederike Seithel in ihrem Buch über Angewandte Ethnologie schreibt, um damit zur Verbesserung der Lebenssituationen jener Gruppen, in denen sie forschten, beizutragen.
Auch aus den Reihen der Betroffenen gab (und gibt) es Stimmen, die dieses Potential des Faches erkannten. Wie etwa John Mohawk:
„Most of all, the purveyors of anthropology need to take a serious look at the possibilities of a discipline which is, after all, a study of man. That discipline could become the discipline which enhances the human spirit, which explores and expands the horizon of human emotional possibilities and experiences. It could become a discipline recognized for its contributions to the broadening of human cultural experiences on the emotional as well as on the ‚intellectual‘ planes. But for this to come to pass requires first of all a struggle by anthropologists against the destruction of cultures and people; a struggle which dissolves academic boundaries, and situates the anthropologist as an ally of those whose cultures have for so long been under imperial assault.“
(Mohawk 1985, in: Friderike Seithel. Von der Kolonialethnologie zur Advocacy Anthropology, 2000)
John Mohawk war politischer und intellektueller Sprecher der nordamerikanischen Indianerbewegung und fand, dass Ethnologie „after all, a study of man“, sehr wohl für die Belange der unterdrückten und kolonisierten Gesellschaften einsetzen konnte, kann – und sollte.