NAME: Johanna Konstanze Schneider-Ludorff
BERUF: Gruppenleiterin eines Teams von Sozialarbeiter_innen in der Betreuung und sozialen Beratung von Geflüchteten für eine hessische Kreisverwaltung.
STUDIENFÄCHER:
Bachelor: Ethnologie, Beifach Politikwissenschaft; Master: Ethnologie
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Ich habe Ethnologie studiert, weil…
…ich bei der Suche nach einem Beifach zu meinem Studium der Politikwissenschaft in der Auflistung der Studienfächer auf der Homepage der Johannes Gutenberg Universität Mainz bei „E“ wie Ethnologie hängen blieb. Nach einer kurzen Google-Recherche habe ich mich dann spontan für das exotisch klingende Fach entschieden. (Es sollte ja „nur“ das Beifach zu meinem Wunschstudiengang Politikwissenschaft werden). Tatsächlich habe ich nach dem dritten Semester Kern- und Beifach getauscht und mein Politikstudium zeitnah abgeschlossen, um fortan meiner entdeckten Leidenschaft für die Ethnologie nachzugehen.
Unter Ethnologie verstehe ich…
…ganz allgemein zunächst einmal das Interesse am Menschen und seinen Handlungen im kulturellen Sinne. Zudem das immerwährende Hinterfragen der eigenen kulturellen Vorstellungen und Sichtweisen.
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Wie bist du zu deinem aktuellen Beruf gekommen?
Bereits während meines Studiums habe ich mich in der Hilfe für Geflüchtete ehrenamtlich engagiert und zum Ende meines Studiums 2015 auch beruflich eine Perspektive in diesem Bereich gesehen. Begonnen habe ich dann zunächst als Sozialarbeiterin in der Betreuung und sozialen Beratung von Geflüchteten, die durch die Ausländerbehörde eines hessischen Landkreises untergebracht wurden. Seit Juni 2017 führe ich als Gruppenleiterin ein Team von derzeit sieben Sozialarbeiter_innen im gleichen Bereich.
Mit welchen Hürden und Vorurteilen hattest du als Ethnologe/in in der Arbeitswelt zu kämpfen?
In meinem Arbeitsleben habe ich – abgesehen vom Vorstellungsgespräch, in dem ich zunächst das Wort Ethnologie erklären sollte – keine Hürden oder Vorurteile gespürt. Hier waren in den Jahren 2015 und 2016 aufgrund der sogenannten Flüchtlingskrise praktische Kompetenzen, wie Organisationstalent, Engagement und Verhandlungsgeschick gefragt. Während meines Studiums habe ich dagegen mehr Unsicherheiten seitens meines Umfeldes im Hinblick auf meine Studienwahl gespürt. Um der immer wiederkehrenden Frage „Was man denn damit machen könne?“ zu entgehen, habe ich irgendwann nur noch aus den zwei Antwortoptionen „Taxi fahren“ oder „Pommes verkaufen“ gewählt. Mir wurde klar, dass diese Frage weniger Interesse für das Fach als eine konservative Meinung zum Arbeitsmarkt ausdrückt.
Wie und womit hat dir die Ethno-Expertise in deinem Beruf geholfen?
Mein Studium hilft mir im Arbeitsalltag dabei, Dinge immer wieder zu hinterfragen und mir bewusst zu sein, dass meine Mitarbeiter_innen und ich unsere Aufgaben aus unseren eigenen kulturellen Vorstellungen heraus erfüllen. Mein Interesse für das Fremde, mein Wunsch, kulturelle Unterschiede wahrzunehmen und wenn möglich zu verstehen, tragen zu einer offeneren Arbeitsatmosphäre – auch unter den Mitarbeiter_innen – bei.
Hat dich dein Studium genügend auf das Arbeitsleben vorbereitet? Was fandest du im Studium gut? Was hat dir gefehlt?
Ich habe meine Studienzeit genutzt, um durch eine möglichst vielfältige Wahl der Seminare in möglichst viele Themenbereiche Einblick zu erhalten. Die große Themenvielfalt war für mich sehr spannend, hat allerdings nur wenig zur Spezialisierung in eine bestimmte Richtung beigetragen. Hier musste ich selbst aktiv werden und mir aufgrund meiner Neigungen und Wünsche überlegen, welche berufliche Richtung ich einschlagen möchte. Dies gelang mir unter anderem im Ausschlussverfahren. Nach meiner Forschung zum Nationalfeiertag in Ghana wusste ich, dass die Forschung für mich keine berufliche Perspektive darstellt. So habe ich mich für meine Masterthesis bereits mit den Themen „Interkulturelle Öffnung“ und „Diversity Management“ (u.a. im öffentlichen Dienst) beschäftigt und mich dann auch beruflich in dieser Richtung – kulturelle Diversität in Deutschland – weiterentwickelt.
Mit dem Wissen von Heute: Würdest du Ethnologie nochmals studieren? Und was würdest du anders machen?
Ja, sofort und ich würde Ethnologie von Beginn an als Kernfach wählen. Weiterhin würde ich mir weniger Sorgen um meine berufliche Zukunft machen, nur weil mein Umfeld mir suggeriert, dass dies dringend notwendig sei.
Dein Rat an die Ethno-Neulinge?
Nur Mut zu diesem spannenden Studienfach! Voraussetzung: Wahres Interesse. Aber bitte nicht gelangweilt das Seminar absitzen, weil sich kein besseres Beifach gefunden hat (ihr nervt die Kommiliton_innen und nehmt anderen die Plätze weg). Während des Studiums: Nicht durch kluge Kommentare anderer (auch Profs) beirren lassen! Auch ein Wechsel des Studienfachs, des Themas für die Forschung oder Masterthesis, ein Pausensemester oder Auslandsjahr sind keine Schande, sondern wertvolle Erfahrungen, die am Ende vielleicht den entscheidenden Unterschied machen können.