Ethnologie bedeutet übersetzt „Die Lehre von Völkern“. Als das Fach Ende des 19. Jahrhunderts an den deutschen Universitäten angeboten wurde, war der Untersuchungsgegenstand klar: Es geht um Erforschung von „Wilden“ und „Primitiven“. Dass diese Bezeichnungen heute unmöglich sind, brauche ich nicht zu erwähnen. Doch auch viele andere Bezeichnungen sind problematisch.
Als ich mit dem Ethnologiestudium begann, wusste ich zu Beginn auch nur soviel: hier lerne ich etwas über „fremde“ Kulturen. Allein das reichte mir schon aus, um mich begeistert für das Fach einzuschreiben. Mit Kulturanthropologie/Volkskunde und Indologie in Nebenfächern, klang ja irgendwie danach, als würden die drei Fächer sich glänzend ergänzen, find die Studierphase an.
Der Blick in das Vorlesungsverzeichnis der Ethnologie zeigte eine kunterbunte Vielfalt: Da gab es Seminare zu Sozialethnologie, HIV in Afrika, Theorien der Entwicklung und Unterentwicklung, Ethnologie des Geldes, Politikethnologie, Geschlechtsüberschreitungen im interkulturellen Vergleich, zum ethnologischen Film. Und daneben Regionalseminare zu Kamerun, Nigeria oder Ghana. Der gemeinsame Nenner war also, dass Ethnologie sich für diese gesellschaftlichen Bereiche wie Politik, Wirtschaft, Religion, das Rechts- oder Gesundheitssystem etc. in außereuropäischen, „fremden“ Gesellschaften interessier(t)en.
Während sich die Kulturanthropologen/Volkskundler mit dem „eigenen“ Volk vor der eigenen Haustüre befassten, lag das Interesse der Ethnologen in Gesellschaften fernab eigener Haustüre. War es also eine „Völkerkunde“? Doch auch diese Bezeichnung erwies sich als nicht ganz korrekt.
Im Folgenden möchte ich euch, bei Adam und Eva der Fachgeschichte anfangend, die Suche nach der richtigen Bezeichnung des zunächst klassischen Untersuchungsgegenstands des Faches Ethnologie aufzeigen. Dass es heute anders ist, ist logisch, aber darüber schreibe ich ein anderes mal. Hier soll es zunächst einmal nur darum gehen, wie versucht wurde, den „Untersuchungsgegenstand“ (es sind bestimmte Menschengruppen) richtig zu definieren und warum diese Bezeichnungen heute problematisch (geworden) sind.
Die Grundlage dieses Artikels ist das Einführungsbuch „Ethnologie – die Wissenschaft vom kulturell Fremden“ von Professor Dr. Karl-Heinz Kohl, übrigens einem der wohl berühmtesten (da in Medien wie Zeitungen, TV-Sendungen etc. vertreten) Ethnologen im deutschsprachigen Raum.
Fangfrage an Studienanfänger: „Womit beschäftigt sich Ihrer Meinung nach die Völkerkunde?“
Seit den 1970er Jahren stellte man den Studienanfängern am Hamburger Seminar diese Frage. Und es tauchten immer wieder dieselben Begriffe auf: In der Ethnologie befasse man sich mit „Minderheiten“, „Ackerbaumethoden“, “politischen Systemen“, „Zauberei“, „Märchen“, „Kopfjagd“ – und auf Platz Nummer eins mit „Rassen“.
Das klingt „exotisch“. Und so ganz verkehrt lagen die Studierenden damit nicht, schreibt Kohl. In der Tat haben Ethnologen diese Dinge mal untersucht. „Und warum sollte dies auch geleugnet werden?“, fragt er. „Die Ethnologie verdankt einen Großteil ihrer Anziehungskraft dem fremdartigen und bizarren Charakter vieler ihrer Gegenstände.“
Allerdings wurden jene, so Kohl, im Laufe ihres Studiums dann doch eines Besseren belehrt. Denn das Fach ist mehr als ein Studium der Kuriositäten von fernen Ländern. Es ist eine „anspruchsvolle und seriöse Wissenschaft mit einer komplizierten Fachsprache, mit einem entwickelten methodischen Instrumentarium und mit einem schier unbegrenzten Gegenstandsbereich.“
„Völkerkunde“ ist nicht gleich Ethnologie
„Ich studiere Völkerkunde“ könnte mensch salopp sagen.
Wäre einerseits richtig – und auch nicht.
Kohl erklärt auch, warum.
Die Begriffe „Ethnologie“ und „Völkerkunde“ tauchten ungefähr zur gleichen Zeit auf, im 18. Jahrhundert. Dabei entstand wohl der Begriff „Völkerkunde“, so die Untersuchungen von Hans Fischer (1970), in Analogie zur „Erdkunde“.
Bei „Ethnologie“ handelte es sich um denselben Begriff „Völkerkunde“, nur war das eine Rückübersetzung desselben Wortes aus dem Griechischen.
Heute ist die Verwendung des Begriffs „Völkerkunde“ schwierig, schreibt Kohl, da dieser nicht ganz deutlich macht, was mensch eigentlich unter „Volk“ verstehen soll.
Laut Meyers Enzyklopädisches Lexikon ist ein „Volk“ eine
„durch gemeinsames historisches Erbe und historisches Schicksal gekennzeichnete Lebensgemeinschaft von Menschen. (…) (W)esentlich ist das Gefühl innerer, meist auch äußerer (räumlicher) Zusammengehörigkeit, durch die sich ein Volk in charakteristischer Kombination von kulturellen, religiösen, sprachlichen u.a. Eigenheiten von anderen Völkern unterscheidet.“ (Bd. 24, 1979)
Die Definition im Neuen Wörterbuch der Völkerkunde lautet:
„…ursprünglich (ist es) die Bezeichnung für „Heerhaufe“, „Gefolgschaft“; heute wird unter Volk (…) im allgemeinen eine große historisch gewachsene Gemeinschaft von Menschen verstanden, die eine ähnliche genetische Abstammung (Endogamie, Inzesttabu), gleiche Sprache, ähnliche Lebensgewohnheiten (Sitten) und ein Zusammengehörigkeitsbewußtsein verbindet.“
Wenn es also um Erforschung von Völkern im Sinne „großer historisch gewachsener Gemeinschaften ginge“, schlussfolgert Kohl, dann müssten Ethnologen sich auch mit Russen, Spaniern, Engländern etc. befasst haben. Was sie aber nicht taten. Hier entstanden eigene Studiengänge – Slavistik, Romanistik, British Studes usw.
Wäre der Gegenstand der Ethnologie das „einfache Volk“ , wie etwa das bäuerliche Leben der Kronacher im 18. Jahrhundert, dann müssten Ethnologen mit den Volkskundlern/Kulturanthropologen konkurrieren.
Was bei näherer Betrachtung der ethnologischen Forschungen auffällt, ist die Ferne, in der Gesellschaften lebten, für die sie sich Ethnologen interessierten.
Aber auch die Ferne allein grenzte den „Forschungsgegenstand“ nicht eindeutig ab, denn auch da hatten sich bereits eigene Universitätsdisziplinen wie Arabistik, Iranistik, Indologie etc. herausgebildet.
Also befasste sich die Ethnologie, so Kohl, „mit Lebensgemeinschaften von Menschen, die zum einen außerhalb des europäischen Kulturkreises liegen und zu deren Untersuchung sich zum anderen (…) keine anderen eigenen Spezialdisziplinen herausgebildet haben.“
„Wilde“, „Primitive“ und „Naturvölker“ – echt jetzt?
Gehen wir zurück zu den Anfängen der Ethnologie und schauen uns an, wie mensch versucht hat, das, was erforscht wurde, zu bezeichnen.
Als die „älteste Bezeichnung“ jener Völker, die das Interesse der Ethnologen auf sich zogen, entstand im 15./16. Jahrhundert im Zuge der europäischen Erkundungs- und Eroberungsreisen – und wurde teilweise bis ins 19. und frühe 20. Jahrhundert beibehalten:
Sie lautet im Deutschen „Wilde“, in romanisch geprägten Ländern „salvajada“ (span.), „selvaggio“ (ital.), „sauvage“ (frz.) oder „savages“ (engl.).
Etymologisch betrachtet lassen sich die romanischen Bezeichnungen aus dem Lateinsichen „silvaticus“ ableiten, was soviel heißt wie: „zum Wald gehörend“, „in den Wäldern lebend“. Wahrscheinlich hatte auch das deutsche Wort „wild“, so Kohl, dieselbe Bedeutung:
„Als ein auf Menschen bezogenes Adjektiv finden wir das Wort im Deutschen bereits lange Zeit vor der Entdeckung Amerikas. Der nackt und ohne jedes äußere Anzeichen von menschlicher Kultur in den Wäldern hausende „wilde Mann“ war eine beliebte Figur der mittelalterlichen Volksüberlieferung, Epik und darstellender Kunst. In der Buchornamentik der Zeit wird seine Triebhaftigkeit durch die dichte Körperbehaarung symbolisiert, bisweilen erscheint er auch als Menschenfresser.“
Als die ersten Entdecker im 15./16. Jahrhundert auf die Bewohner neuentdeckter Landstriche stießen, hatten sie eben keinen anderen Begriff, wie sie diese Menschen bezeichnen sollten – und griffen auf das aus eigener Kultur und eigenem Erfahrungshorizont bekannten Bild des „wilden Mannes“. Denn nach dem ersten, oberflächlichem Betrachten erfüllten diese Menschen alle Merkmale: keine Kleider, keine festen Behausungen, kein König, kein Gesetz, keine Religion.
Mit einem sehr bösen Nebeneffekt, denn: „Wörter sind keineswegs unschuldig“, schreibt Kohl. „Wie eine fremde Kultur geschildert wird, kann für deren Angehörige verheerende Folgen haben. In diesem Fall sollte die Verzeichnung der Bewohner der Neuen Welt zu „Wilden“ letztlich der ideologischen Legitimation des europäischen Kolonialismus und seiner ausbeuterischen Praktiken dienen.“
Nachdem also der Begriff „Wilde“ sein neues Bedeutungsfeld erhielt, wurden alle „neuentdeckten“ indigenen Gesellschaften in Afrika, Asien, Ozeanien und Australien so genannt.
Und „im selben Zuge wurde der Begriff der Zivilisation (…) zum Komplement der Bezeichnung „Wilde“. Die Folge war die Enstehung eines Oppositionspaares – dort die „Wilden“, und wir hier die „Zivilisierten“ (Urs Bitterli 1976).
Entwicklung der Vorstellung vom „edlen Wilden“ zum „Primitiven“
Alsbald begannen die Europäer, schreibt Kohl weiter, sich als die „gesitteten Völker“ zu fühlen, „und sie sahen es als ihre Aufgabe an, den ungesitteten „Wilden“ die Segnungen ihrer Zivilisation zu bringen.“
Gab es anfangs also noch relativ ambivalente Meinungen zu diesen Völkern – etwa die Vorstellung des so genannten „bon sauvage“ (Frankreich) oder „noble savage“ (England) – der „edle Wilde“ also, der noch „in Übereinstimmung mit den Gesetzen der Natur“ lebte (eine Art frühe Zivilisationskritik) – führte das Zeitalter des Imperialismus und der Industrialisierung mit ihrem schnellen technischen Fortschritt im 19. Jahrhundert dazu, das ehemals räumliche Nebeneinander von „Wilden“ und „Zivilisierten“ in ein zeitliches Nacheinander zu verwandeln.
„Von den „Wilden“ nahm man nun an, daß sie auf einer früheren Stufe der Menschheitsentwicklung stehengeblieben seien.“ Man betrachtete sie immer mehr als „Urmenschen“ oder „lebende Ahnen“.
Ein neuer Begriff musste her, um diese Differenz deutlich zu machen. Und wurde schon bald gefunden: Die „Primitiven“.
An sich ist das Wort „Primitive“ wertneutral, heißt es ja nur im Lateinischen „primus“, „der Erste“.
Als das Fach Ethnologie sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als universitäre Disziplin herauszubilden begann, sprachen auch die Ethnologen von „den Primitiven“. Allerdings, entsprechend dem Fortschrittsoptimismus der Epoche, wurden jene Völker, die das jeweilige technologische Niveau, das als Gradmesser einer Typologie der Kulturen galt, nicht erreichten, zunehmend „zum Sinnbild des Rohen und Unvollendeten“.
In Deutschland setzte sich eher der Begriff „Naturvölker“ durch. Dieser wurde in der deutschen Frühromantik geprägt und geht auf den französischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau zurück. Anfangs wurde die Nähe zur Natur noch positiv bewertet. Johann Gottfried Herder sprach in seinem Werk „Älteste Urkunde des Menschengeschlechts“ (1774-76) von „Naturvölkern“ im Sinne von „organisch“ gewachsenen, „echteren“ Völkern. Aber leider verlor auch dieser Begriff im Laufe der Zeit sein „zivilisationskritisches“ Potential, bemerkt Kohl.
Stattdessen entstand langsam ein neues Gegensatzpaar: Das der „geschichtslosen Naturvölker“ im Vergleich zu „unseren“ „geschichtsmächtigen Kulturvölkern“.
Der Entstehung diverser Vorurteile stand von da an nichts mehr im Wege:
- Die Kulturvölker verstanden sich wiederum als jene, die in der Lage wären, Natur zu beherrschen
- die „Culturlosen“ derweil seien der Natur hilflos ausgeliefert
Einen entscheidenden Unterschied glaubte der Soziologe und Philosoph Alfred Vierkandt ausfindig gemacht zu haben. Er schrieb in seinem Werk „Naturvölker und Kulturvölker“ (1896), den Naturvölkern fehle es an „willensmäßigen Durchhaltevermögen, das die „Vollkulturvölker“ (er meint damit: die Europäer) dazu befähige, sich die ganze Erde zu unterwerfen, während die „Naturvölker“ dazu verurteilt blieben, in der Geschichtslosigkeit zu verharren.“ *Kleiner Lachanfall meinerseits also Achtung – jetzt kommt was witziges.*
Denn weiter heißt es bei Vierkandt: „Ein weiterer Zug, den er ihnen unterstellte, ist die Geringschätzung, die sie dem Leben des einzelnen entgegenbrächten. Als Beispiele für die ‚Mißachtung des menschlichen Lebens bei den „Naturvölkern“ nannte er Kindstötung, das Aussetzen von Alten, Sklaverei und Kannibalismus.“
Ihr merkt die Ironie des Schicksals, stimmts? Der Ethnologe E.W. Müller hat dies sehr deutlich in seinem 1990 veröffentlichten Artikel „Naturvölker? Nein!“ aufgezeigt:
„Die Massenmorderei in Vernichtungskriegen nach Erscheinen seines Buches, wie in Auschwitz, Hiroshima und in der menschenverachtenden Strategie von Verdun im 1.Weltkrieg konnte Vierkandt nicht kennen, höchstens ahnen. Die größten Versklaver der Menschheit waren Europäer, ‚Vollkulturmenschen‘ mit ‚bewußtem Willen‘. Und das war 1896 wohl bekannt.“ (E.W. Müller 1990: 44)
Mittlerweile weiß mensch auch, dass jene „Naturvölker“ keineswegs „geschichtsloser“ waren als die europäischen. Sie repräsentieren auch keine „lebenden Ahnen“. Und der Natur stehen sie ebenfalls nicht näher als wir, sie haben vielleicht nur ein anderes Verhältnis zu ihrer natürlichen Umwelt entwickelt. Wir hingegen, da müssen wir Kohl ebenfalls recht geben, haben hingegen ebenfalls eine Abhängigkeit entwickelt: Nämlich die zu uns „zu einer zweiten Natur gewordenen“ Technik.
Bezeichnungen, die heute nicht ganz stimmen, die aber „aus Mangel an Alternativen“ immer wieder benutzt werden
Wurden die von der Ethnologie bevorzugt untersuchten Gesellschaften anfangs „Wilde“, „Primitive“ oder „Naturvölker“ genannt, riskiert mensch heutzutage bei diesen Bezeichnungen ordentlich gerügt und zurechtgewiesen zu werden, da sie, so Kohl „in einem objektiven wissenschaftlichen Sinn“ nicht brauchbar sind, „weil keiner von ihnen von den pejorativen Nebendeutungen frei ist.“ Daher versuchen Ethnologen heute auf diese Begriffe zu verzichten, was nicht immer ganz gelingt. Grund dafür ist, dass bis heute keine Alternativen gefunden wurden, wie die Gesellschaften, mit denen sich Ethnologen befass(t)en.
Kohl listet im Folgenden einige der Bezeichnungen auf, und zeigt sogleich auf, wo bei der Verwendung der „Haken“ ist:
ARCHAISCHE KULTUREN
Diese Bezeichnung „Archaische Kulturen“ birgt weiterhin das Problem, dass es „denselben evolutionistischen Vorstellungen verhaftet“ bleibt. Zudem ist es noch unpräzise, denn dann müssten wir auch die frühen europäischen und asiatischen Kulturen hinzunehmen. Diese sind allerdings Forschungsgegenstand anderer Disziplinen (Ostasienstudien, Japanologie Indologie oder eben Volkskunde).
VORINDUSTRIELLE GESELLSCHATEN
Das Problem hierbei ist die Präposition „vor“. Sie impliziert, dass diese Gesellschaften „auf ihre Industrialisierung wie auf ihr natürliches Ziel zustrebten.“ Dann würde mensch die Gesellschaft nur auf diesen einen Aspekt hin untersuchen und alle anderen vernachlässigen. Außerdem gibt es kaum eine Gesellschaft, die heute nicht in irgendeiner Form an der modernen industriellen Weltkultur teilhat.
TRADITIONELLE GESELLSCHAFTEN
Der Begriff „traditionelle Gesellschaften“ wurde als Abgrenzung zu den „modernen Gesellschaften“ verwendet. Zwar ist die Bezeichnung „traditionell“ neutraler, so Kohl, aber wieder viel zu weit gefasst. Völker des Nahen und Fernen Ostens müssten dann ebenfalls mit einbezogen werden.
SCHRIFTLOSE KULTUREN
Auch hier klingt der Begriff wertneutraler, „krankt aber daran, daß es heute kaum mehr eine Gesellschaft gibt, (…) die die Schrift nicht von einer anderen Kultur übernommen hätte.“ Und wenn mensch „ehemals schriftlose“ Kulturen nennt, dann müssten auch die europäischen Gesellschaften hinzugezählt werden.
STAMMESGESELLSCHAFTEN
Laut Kohl gehört(e?) es zu den wertneutralen Begriffen. „Es verweist zudem auf die große Bedeutung, die der realen oder auch fiktiven verwandtschaftlichen Zugehörigkeit als Grundlage sozialer Organisation in nicht-staatlichen Gesellschaften zukommt.“ Das Problem dabei aber war, dass es nicht auf alle Gesellschaften zutrifft, mit denen sich Ethnologie beschäftigt hatte.
Und: „Vor allem afrikanische Politiker haben sich gegen diesen Begriff mit dem Argument gewandt, daß er noch aus der Kolonialzeit stamme und daß er insbesondere im Englischen mit negativen Konnotationen behaftet sei.“
Ob das aber heute noch stimmt – nämlich dass dieser Begriff „wertneutral“ ist – bin ich mir nicht so sicher. Hierzu fehlen mir Informationen, für Hinweise und entsprechende Literaturtips danke ich schon mal 🙂
Zwischenfazit: Wir wissen nun, dass sich Ethnologie mit bestimmten Menschengruppen befasst (hat). Wir wissen, wie sie früher bezeichnet wurden, und auch heute. Und wir wissen, warum sie heute problematisch (geworden) sind
Die oben genannten Bezeichnungen haben, schreibt Kohl, eine Gemeinsamkeit:
Sie charakterisieren Völker, Kulturen und Gesellschaften immer anhand dessen, was sie im Vergleich zu unserer Kultur NICHT sind. Irgendwie konnten alle bisherigen Versuche, den Gegenstand zu definieren, „nicht ohne eine Negativbestimmung des untersuchten Gegenstandes auskommen.“
Aber was wir sagen können, und was wir nicht von der Hand weisen können, ist:
„ETHNOLOGIE BESCHÄFTIGT SICH MIT DEM KULTURELL FREMDEN“
Was wir versuchen können, um die negativen Konnotationen der oben genannten Bezeichnungen abzumildern ist es, so Kohls Vorschlag, sich
„bestenfalls darum (zu) bemühen, alle negativen Aussagen nach Möglichkeit ins Positive zu wenden und auf diese Weise nach den Besonderheiten und Gemeinsamkeiten der Gesellschaften (zu) fragen, mit denen sich die Ethnologie im Verlauf ihrer Geschichte beschäftigt hat.“
Literatur: Kohl, Karl-Heinz. „Die Ethnologie und ihr Gegenstand“ in: Kohl, Karl-Heinz. Ethnologie – die Wissenschaft vom kulturell Fremden. Eine Einführung. München: C.H. Beck, 1993. S. 11-28
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