Das Interesse an Kulturen und deren Menschen ist heute im Zeitalter der Globalisierung und diverser Diversity-Communities größer denn je. Warum auch nicht, ist unsere Welt doch ziemlich bunt und Social Media macht’s möglich, dass wir uns mit nur einem Klick in die entferntesten Wohnzimmer der Welt hineinkatapultieren.

Doch in den „offiziellen“ Medien, print wie online, ist vom kultursensibilisierenden Bewusstsein, also einem Bewusstsein dafür, dass wir in einer diversen Gesellschaft leben, noch recht wenig zu sehen, wie verschiedene Shitstorms und Aufschreie in den sozialen Medien immer wieder zeigen.

Was machen denn die Journalist_innen falsch – und was könnten sie besser machen, um kultursensible Texte so zu schreiben, dass die diverse Gesellschaft sichtbar wird? Ein paar Vorschläge.

Regal mit Zeitungen

Wir leben in einem Informationszeitalter. Noch dazu in einem, in dem Informationen im Minutentakt, wenn nicht gar sekündlich eintrudeln.

Ob in klassischen Printmedien, im Fernsehen, im Radio oder online – ein (Maus-) Klick reicht und wir wissen, was gerade in Afghanistan, in Russland, oder auf hoher See mit den Geflüchteten geschieht.

Werden wir der Negativnachrichten müde, so greifen wir auf Omas kunterbunte Bildbände „Die letzten Paradiese der Erde“ zu oder ziehen uns eine Reisereportage über Nepal rein. „Ach, wie schön die es dort drüben doch haben“, seufzen wir und und bewundern die naturnahe und einfache Lebensart, und erst recht die doch so schönen und bunten Kleider „exotischer“ Frauen.

Das Interesse an fremden Kulturen im Sinne von fremden Lebensformen, die gern mal als „ethnisch“ oder „exotisch“ betitelt werden, ist nach wie vor groß.

Nicht zuletzt liegt es auch daran, dass Soziale Medien es ermöglichen, dass viele Akteur_innen, die PoC („People of Colour“), uns in ihren Alltag mitnehmen können und über ihre teils dramatischen, teils wirklich traumatischen Erlebnisse berichten. Und somit den strukturellen Alltagsrassismus aufdecken.

Problem im Journalismus: Schnell, schneller, Fettnäpfchen! Wie die Arbeitsweise (rassistische) Stereotype und Klischees reproduziert

Was machen währenddessen all die Texter_inen und Conten-Creators? Sie sitzen tagtäglich vor ihren Laoptops und versuchen, Artikel zu produzieren, um den Hunger nach Informationen zu stillen. Und das in einem Affentempo, denn die Deadline ist stets im Nacken.

Dabei tappen sie, einer nach der anderen, in eine riesengroße Falle. Und diese heißt: „Reproduktion von Stereotypen“. Denn eben diese Schnelligkeit ist verhängnisvoll, will man fremde Lebenswelten so umfassend wie möglich verstehen – und diese dann auch so beschreiben. Da kann man nur an der Oberfläche kratzen. Ein paar „typische“ Floskeln drüber verlieren.

Unter Zeitdruck zu arbeiten ist nicht jederfraus Sache und so greift man dann eben schnell auf jene Bilder, die sich im Laufe der Jahre im Kopf verankert haben – auf männerfeindliche Vorstellungen von frauenfeindliche Muslimen, auf putinverstehende Aussiedler und auf exotische Afrikanerinnen in Lehmhütten oder an Flussufern. (Fangfrage: Wie sind diese Bilder denn im Kopf entstanden?)

Allein nur – eine objektive „Realität“ ist dies nunmal nicht. Denn diese ist weitaus komplexer und wenn man sich mit dem Thema ausführlich zu befassen beginnt, wird man ganz schnell merken: „Die Muslime“, „die Russen“ und „die exotischen Afrikanerinnen“ – es gibt sie nicht.

Und auch wenn die Arbeitswelt der journalistischen Zunft Schnelligkeit und ein Herunterbrechen von komplexen Sachverhalten auf das Wesentliche fordert, so darf dieses nicht auf Kosten derjenigen geschehen, über die geschrieben wird.

Perspektivenwechsel und Ethnozentrismus: Die Game-Changer in der Berichterstattung

Als ich mich nach dem Ethnologie-Studium für einen journalistischen Beruf entschieden habe, habe ich sehr erfreut feststellen dürfen: Sowohl Journalist_innen als auch wir Ethnolog_innen haben einige beachtliche Gemeinsamkeiten:

  • Beide interessieren sich für Menschen und für deren Geschichten (teilnehmende Beobachtung)
  • Beide fühlen sich, im Idealfall, der Wahrheit verpflichtet
  • Und beobachten daher ihr Gegenüber sowie ihre eigene Gesellschaft eher kritisch-distanziert

Sogar in der Arbeitsweise gab es Gemeinsamkeiten:

  • Wir überlegen uns ein Thema
  • machen vorab ein paar Notizen
  • und gehen los!

Und suchen Menschen, die uns was dazu erzählen können.

Oder noch besser: Die uns etwas zeigen, die uns sogar etwas selbst machen lassen, damit wir unsere eigenen Erfahrungen machen und am eigenen Leib sozusagen erleben können, wie es ist, „in anderer Haut“ zu stecken. In der Ethnologie nennt man diese Methode „teilnehmende Beobachtung“.

Diese Methode – in jemand anderes Haut zu schlüpfen – ist einfach Gold wert, denn nur indem man miteinander in Kommunikation tritt und versucht, so nah wie möglich an das Gegenüber, an die Lebenswelt und an das Denken und Fühlen meines Gegenübers heranzukommen, ist man in der Lage, ein möglichst hohes Maß an Verständigung für den Anderen (und das Andere) aufzubringen.

Was Ethnologie lehrt: Und was sich die Schreibzunft abgucken kann

Welche „Probleme“ können denn beim Recherchieren und Schreiben entstehen. Nun: Zuallererst stellt sich die Frage – wo suche ich verlässliche Informationen? (Spoiler: Nicht bei Wikipedia und leider auch nicht immer in bekannten Printmedien). Den letzteren haben wir oft überhaupt zu verdanken, dass wir stereotype Bilder im Kopf haben.

Hat mat man die erste Frage geklärt, kommt die nächste: Es müssen Interviewpartner he. Und spätestens da betritt der Schreibende einen holprigen Boden. Denn: Kommunikation ist das A und O. Aber auch gleichzeitig das „Auweia!“ und „Oje!“

So eine Kommunikationssituation ist nämlich ganz und gar kein Ponyhof und mit vielen Stolperfallen, Fettnäpfchen und Missverständnissen gepflastert. Manchmal beginnt es ja schon beim Begrüßen. Du hast die falsche Hand entgegen gestreckt. Oder du hast der falschen Person (zuerst) die Hand entgegen gestreckt. Oder du hast überhaupt deine Hand entgegen gestreckt.

Fettnäpfchen über Fettnäpfchen, Missverständnisse, falscher Stolz, falsche Scham, Unverständnis für das Verhalten des Anderen. Dies alles kann so ein Interview ziemlich mühselig machen. Und auf gar keinen Fall für Verständnis und Verständigung untereinander sorgen.

Daher tut man gut daran, sich dieser „Fettnäpfchen“ bewusst zu sein – um sie so gut es geht zu vermeiden oder aber um handlungsfähig zu bleiben, wenn man sich doch in solch eine missverständnisvolle Situation hineinmanövriert hat.

Während meiner journalistischen Zeit habe ich sehr oft und sehr dankbar meinem Ethnologie-Ego auf die Schulter geklopft, denn ich fühlte mich sehr gut auf diese multikulturellen Begegnungen vorbereitet.

Am meisten profitiert habe ich von der Erkenntnis, dass wir alle eine ethnozentrische Brille aufhaben und dass – sobald wir gelernt haben, sie abzulegen – uns viele anfangs total unverständliche Sachen plötzlich in einem neuen Licht erscheinen. Und verständlich werden.

Auch die Fähigkeit des Perspektivenwechsels hat sich als sehr hilfreich erwiesen, um ein Gefühl zu bekommen, wie es ist, jemand anderes zu sein oder als jemand anderes wahrgenommen und behandelt zu werden, (was sich übrigens nicht immer „gut“ anfühlt).

Diese sensibilisierte Betrachtungsweise über Gedanken- und Gefühlswelten von Menschen aus anderen Kulturen fehlt leider oft in den Berichterstattungen.

Noch viel zu oft greifen Journalist_innen, aber auch Texter und generell Werbemachende auf stereotype Bilder über anderswo sozialisierte Menschen – und zementieren durch ihre stereptypen Darstellungen klischeehafte Bilder über „die Muslime“, „die Türken“ oder „das Afrika“.

Dabei wäre es so einfach, diese Fehler zu umgehen.

Man müsse sich nur folgendes hinter die Ohren schreiben:

Willst du über eine bestimmte Kultur berichten und dies möglichst ohne Klischees und Stereotype, dann sind diese 3 Dinge absolute Must-Haves!

  • Übe dich stets in Perspektivenwechsel
  • Beschäftige dich mit deinem Ethnozentrismus
  • Selbstreflexioooon!

Diese und weitere Erkenntnisse habe ich in einem kleinen e-Book zusammengefasst als eine Art Leitfaden, um uns Begegnungen mit Menschen aus anderen Kulturen zu erleichtern. Wenn du mehr darüber erfahren willst, so kannst du dir das Buch gerne hier kostenlos herunterladen.